Ist der Beschluss zur Erteilung einer Generalvollmacht an alle Verwaltungsratsmitglieder gültig? | LEX | Das deutsch-spanische Rechtsportal Direkt zum Inhalt

Ist der Beschluss zur Erteilung einer Generalvollmacht an alle Verwaltungsratsmitglieder gültig?

30/06/2022
| Saphira Mouzayek
Ist der Beschluss zur Erteilung einer Generalvollmacht an alle Verwaltungsratsmitglieder gültig?

Eine der häufigsten gesellschaftsrechtlichen Handlungen in der Praxis der Verwaltungsräte (der „Verwaltungsrat“) spanischer Kapitalgesellschaften ist die Übertragung oder Zuteilung von Geschäftsführungsbefugnissen des Verwaltungsrats an ein oder mehrere Ratsmitglieder. Dies erfordert die Festlegung des Inhalts und Grenzen der Befugnisse, sowie einen Vertrag zwischen dem Ratsmitglied und der Gesellschaft (Artikel 249 des Königlichen Gesetzesdekrets 1/2010 vom 2. Juli zur Verabschiedung der überarbeiteten Fassung des spanischen Gesellschaftsgesetzes („KGG“)). Was geschieht jedoch, wenn der Verwaltungsrat sämtlichen Ratsmitgliedern eine Generalvollmacht erteilt? Handelt es sich hierbei um eine Übertragung von Befugnissen des Verwaltungsrats?

Dieser Fall wurde vom Spanischen Obersten Gerichtshof mittels des Urteils Nr. 215/2022 vom 21. März 2022 geprüft, in dem der Gerichtshof darüber entschied, ob die Erteilung von Generalvollmachten an alle Mitglieder des Verwaltungsrats als eine Übertragung von Funktionen des Verwaltungsrats gemäß den Bestimmungen des o.g. Artikels 249 KGG ausgelegt werden kann.

Angesichts dieses Beschlusses über die Erteilung von Generalvollmachten an alle Mitglieder des Verwaltungsrats prüfte der Oberste Gerichtshof, ob es sich um (i) eine Übertragung bestimmter Funktionen des Verwaltungsrats an ein oder mehrere Ratsmitglieder handelt, wobei diesen Ratsmitgliedern bestimmte Entscheidungsfunktionen des Verwaltungsrats und die sog. „organische Vertretung“ der Gesellschaft übertragen werden, oder (ii) eine freiwillige Bevollmächtigung zugunsten der Ratsmitglieder, wobei diese lediglich die (bereits bestehende) Absicht des Verwaltungsrats zum Ausdruck bringen.

Nach Ausschöpfung der gerichtlichen Instanzen stellte der Oberste Gerichtshof fest, dass die in Artikel 249 KGG vorgesehene Übertragung von Befugnissen des Verwaltungsrats voraussetzt, dass (i) die Befugnisse an ein oder mehrere Mitglieder des Verwaltungsrats übertragen werden und (ii) dass die Entscheidungsfunktionen des Verwaltungsrats und die sog. „organische Vertretung“ der Gesellschaft weiterhin dem Verwaltungsrat obliegen. Der Gerichtshof geht daher davon aus, dass die Erteilung ähnlich lautender Generalvollmachten an sämtliche Ratsmitglieder nicht als Übertragung von Entscheidungsbefugnissen oder organischer Vertretung ausgelegt werden kann, sondern als freiwillige Bevollmächtigung zu betrachten ist, wobei jeder der Bevollmächtigten im Namen der Gesellschaft auftreten kann, ohne dass für einzelne Handlungen spezifische Vollmachten erteilt werden müssen, all dies im Interesse der „Vereinfachung der Beziehungen der Gesellschaft zu Dritten“.

Kurz gesagt, das Urteil lehnt die Anwendbarkeit von Artikel 249 KGG in diesem Fall ab und legt die Gültigkeit des entsprechenden Gesellschaftsbeschlusses fest, um somit die Nachteile zu überwinden, die die Notwendigkeit der Handlung des Verwaltungsrates als Kollegialorgan bzgl. der alltäglichen Verwaltung der Gesellschaft mit sich bringt.

Kategorien:

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen?

Teilen Sie ihn in den sozialen Netzwerken!