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Haftung des Verkäufers für „Angaben ins Blaue hinein“

30/06/2022
| Florian Roetzer, LL.M.
Haftung des Verkäufers für „Angaben ins Blaue hinein“

Der M&A Newsletter des Vormonats widmete sich der Aufklärungspflicht des Verkäufers gegenüber dem Käufer beim Unternehmenskauf. Anhand obergerichtlicher Rechtsprechung wurde aufgezeigt, dass es dem Verkäufer untersagt ist, über die tatsächliche Situation der Zielgesellschaft durch Vorspiegelung unzutreffender Tatsachen oder Verschweigen von Tatsachen zu täuschen. Insoweit trifft ihn gegenüber dem Käufer eine Aufklärungspflicht. Verletzt er diese, kann der Käufer den Unternehmenskaufvertrag wegen arglistiger Täuschung anfechten.

Eine bewusste Täuschung durch den Verkäufer über die rechtliche oder wirtschaftliche Situation des Unternehmens dürfte eher der Ausnahmefall sein. Praxisrelevanter erscheint der Fall der sog. „Angaben ins Blaue hinein“. Ein Verkäufer macht „Angaben ins Blaue hinein“, wenn er Umstände blindlings zusichert und dabei verschweigt, dass er ‒ entgegen der Erwartung des Käufers ‒ über keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für seine Zusicherungen im Zusammenhang mit dem Zielunternehmen verfügt.

„Angaben ins Blaue hinein“ können Schadensersatzansprüche und die Aufhebung des Unternehmenskaufvertrages zur Folge haben, wenn hierin ein arglistiges Verhalten des Verkäufers gegenüber dem Käufer zu sehen ist. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung reicht für die Annahme von Arglist aus, dass der Verkäufer einen Mangel des Unternehmens für möglich hält. Es genügt also, dass er die den Mangel begründenden Umstände kennt oder für möglich hält. Ferner muss der Verkäufer zumindest damit rechnen und billigend in Kauf nehmen, dass der Käufer den Mangel nicht kennt und bei Offenbarung die Transaktion nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte.

Im deutschen Recht kann die Haftung für Vorsatz nicht ausgeschlossen werden. Das gilt auch bei einem Handeln mit bedingtem Vorsatz („billigend in Kauf nehmen“). Es entspricht allgemeiner Transaktionspraxis, dass der Unternehmenskaufvertrag ein selbständiges Garantieversprechen des Verkäufers in Bezug auf verschiedene Umstände des Zielunternehmens enthält. Danach garantiert er, dass die in dem Kaufvertrag genannten Umstände zutreffend sind. Für den Fall einer Garantieverletzung regelt der Kaufvertrag im Einzelnen und abschließend die Rechtsfolgen. Hierdurch soll eine (angemessene) Haftungsbegrenzung zugunsten des Verkäufers erreicht werden.

Diese Haftungsbegrenzung greift jedoch nicht, wenn der Verkäufer keine ausreichenden tatsächlichen Grundlagen für ein abgegebenes Garantieversprechen hatte. In diesem Fall könnte ein (Schieds-)Gericht die Aussage des Verkäufers als „Angabe ins Blaue hinein“ und damit als arglistige Täuschung werten. Die Folge davon wäre, dass das vertragliche Haftungsregime nicht greift und der Verkäufer nach den erheblich weitergehenden gesetzlichen Vorschriften haftet. Insbesondere bei Garantieversprechen, deren Richtigkeit der Verkäufer mangels tatsächlicher Anhaltspunkte nicht beurteilen kann, sollte ‒ jedenfalls aus Sicht des Verkäufers ‒ im Kaufvertrag ein Schutzmechanismus zu seinen Gunsten aufgenommen werden.

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