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Günstigerprüfung bei der Anwendung der Versionen der Missbrauchsvorschrift von § 50 Abs. 3 EStG

30/06/2022
| Frank Behrenz
Günstigerprüfung bei der Anwendung der Versionen der Missbrauchsvorschrift von § 50 Abs. 3 EStG

Im Rahmen dieses Newsletters hatten wir immer wieder über die aufgrund europarechtlicher Vorgaben mehrfach geänderte Missbrauchsregelung von § 50 d Abs. 3 EStG berichtet, deren Zweck es ist, eine unberechtigte Freistellung von der Einbehaltung bzw. eine unberechtigte Erstattung deutscher Quellensteuern auf Dividenden, Zinsen, Lizenzen an im Ausland ansässige Gesellschaften durch missbräuchliche Gestaltungen, insbesondere durch die Zwischenschaltung ausländischer Gesellschaften ohne wirtschaftliche Substanz, zu vermeiden (vgl. Ausgaben März 2012, November 2016, Januar und April 2018, Mai 2021).

In einem jüngst veröffentlichten Urteil vom 10.11.2021 (I R 27/19) hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass § 50d Abs. 3 EStG in der aktuellsten Fassung vom 02.06.2021 in allen offenen Fällen anzuwenden ist. Insoweit ist in Altfällen jeweils eine sog. Günstigerprüfung durchzuführen, bei der zunächst die Voraussetzungen der jeweils ursprünglich einschlägigen Altfassung des Gesetzes und – wenn diese zum Ausschluss der Entlastung führt – sodann zugunsten des Steuerpflichtigen - die Voraussetzungen der Neufassung des § 50d Abs. 3 EStG zu prüfen sind. Dies folge aus § 52 Abs. 47b EStG neuer Fassung sowie der Gesetzesbegründung (Bundestagsdrucksache 19/27632, 63).

Gegenstand des Verfahrens war ein Antrag auf Erstattung deutscher Quellensteuer auf Zinsen aus Wandelanleihen, die von einer deutschen Aktiengesellschaft in Form sog. Teilschuldverschreibungen an eine nicht operativ tätige ausländische Kapitalgesellschaft ausgegeben wurden, die weder über eigene Geschäftsräume noch eigene Mitarbeiter verfügte, sondern auf die Ressourcen einer ausländischen Schwestergesellschaft zurückgriff. Der Rechtsstreit sei zur weiteren Sachverhaltsermittlung an die Vorinstanz (Finanzgericht Köln, 2 K 1315/13) zurückzuverweisen, um dem Kläger die nach der aktuellen Gesetzesfassung bestehende Möglichkeit einzuräumen, mittels des unionsrechtlich erforderlichen Gegenbeweises nachzuweisen, dass keiner der Hauptzwecke der Einschaltung des Rechtsträgers die Erlangung eines steuerlichen Vorteils ist (vgl. hierzu unser Beitrag zur Ausgabe Mai 2021 dieses Newsletters). Im Rahmen der hierbei zu berücksichtigenden außersteuerlichen Gründe für die Gestaltung sei eine umfassende Prüfung der betreffenden Konzernverhältnisse geboten, die sich auf Gesichtspunkte wie die organisatorischen, wirtschaftlichen oder sonst beachtlichen Merkmale sowie die Strukturen und Strategien dieses Konzerns bezieht.

Die Bedeutung der europarechtlichen Vorgaben für die Quellensteuererstattung hat der EuGH erneut mit seinem Urteil vom 16.06.2022 (C-572/29) unterstrichen, wonach in anderen Mitgliedstaaten der EU ansässige Kapitalgesellschaften gegenüber in Deutschland ansässigen Kapitalgesellschaften wegen Verstoßes gegen die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV) diskriminiert werden, soweit diese Dividenden von deutschen Kapitalgesellschaften aus Streubesitzbeteiligungen (§ 8b Abs. 4 KStG, Beteiligung unter 10 %) beziehen, da diese nach § 32 Abs. 5 Satz 2 Nr. 5 KStG zusätzliche Nachweise zu erbringen hätten.

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