Grenzüberschreitende Verlegung des Satzungssitzes von Kapitalgesellschaften
Unter dem Begriff der „Mobilität von Kapitalgesellschaften innerhalb der EU“ ist bisher in erster Linie die Verlegung des Verwaltungssitzes von Gesellschaften behandelt worden. Während also der in der Satzung angegebene Sitz der Gesellschaft am Ort ihrer Gründung verbleibt, übt sie ihre Geschäftstätigkeit in einem anderen Land aus.
Mit seinem Urteil vom 12. Juli 2012 in der Rechtssache Vale nahm der Europäische Gerichtshof (EuGH) erstmals zur grenzüberschreitenden Verlegung des Satzungssitzes von Gesellschaften Stellung. Er stellte fest, dass eine solche „grenzüberschreitende Umwandlung“ innerhalb der EU aufgrund der Niederlassungsfreiheit möglich sein muss. Dabei führt der Satzungssitzwechsel zwingend zu einem Wechsel des auf die Gesellschaft anwendbaren Rechts. Verlässt die Gesellschaft die Rechtsordnung, nach der sie gegründet worden ist, und unterstellt sich aufgrund eines Sitzwechsels einer fremden Rechtsordnung, so erfordert dies die sukzessive Anwendung von zwei nationalen Rechtsordnungen.
Dem deutschen Recht ist jedoch der Tatbestand eines grenzüberschreitenden Satzungssitzwechsels fremd. Insoweit stellt sich die Frage, welche nationalen Vorschriften bei einer Hereinsitzverlegung vom europäischen Ausland nach Deutschland zur Anwendung kommen. Hierzu hat das Kammergericht in Berlin mit Beschluss vom 21. März 2016 – 22 W 64/15 – entschieden, dass die Zulässigkeit des grenzüberschreitenden Satzungssitzwechsels einer französischen GmbH nach Deutschland gemäß den Vorschriften über den Formwechsel einer Kapitalgesellschaft zu beurteilen ist. Das Kammergericht spricht nicht von einem grenzüberschreitenden Satzungssitzwechsel, sondern von einem grenzüberschreitenden Formwechsel, meint aber inhaltlich das Gleiche. Die Entscheidung schafft also etwas mehr Klarheit über die anwendbaren Vorschriften aus deutscher Perspektive. Mangels einer europarechtlichen oder nationalen Regelung ist für die Durchführung eines solchen Satzungssitzwechsels eine enge Abstimmung mit den Registergerichten des Herkunfts- und Aufnahmestaates unerlässlich.