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Gibt es den perfekten Moment für Vergleichsverhandlungen?

30/06/2022
| Dr. Thomas Rinne, Johannes Brand, LL.M.
Gibt es den perfekten Moment für Vergleichsverhandlungen?

Früher oder später wird in jeder rechtlichen Auseinandersetzung über einen möglichen Vergleich verhandelt werden. Die deutsche Zivilprozessordnung (ZPO) verpflichtet die Richter, in jeder Phase des Verfahrens auf eine gütliche Einigung hinzuwirken. Unmittelbar vor der eigentlichen mündlichen Verhandlung sieht die ZPO einen Gütetermin vor. Jeder, der schon einmal in einem Zivilverfahren vor Gericht war, kennt die Frage des Richters: „Gibt es Vergleichsbereitschaft?“ Üblicherweise, nachdem der Richter darüber aufgeklärt hat, wie er die Erfolgschancen der Klage sieht – manchmal verbunden mit einem Vergleichsvorschlag.

Doch vielleicht können die Parteien selbst eine aktivere Rolle bei den Vergleichsverhandlungen einnehmen. Und wenn dem so ist, wann wäre ein guter Moment, um der Gegenseite aktiv einen Vergleich vorzuschlagen? Das sind taktische Überlegungen, die Anwältinnen und Anwälte als gute Rechtsberater anstellen sollten. Im Detail sind diese Überlegungen allerdings alles andere als einfach.

Jeder Prozessstrategie sollte eine detaillierte Analyse der eigenen Prozesschancen und -risiken zugrunde liegen. Wer nicht weiß, wie der Prozess (wahrscheinlich) ohne Einigung endet, wird auch keinen guten Vergleich verhandeln können. Die Vorhersage, wie das Gericht die eigene Klage oder die Verteidigung dagegen bewerten wird, ist das Fundament der Strategie bei Vergleichsverhandlungen. Das erfordert manchmal etwas Fingerspitzengefühl dem eigenen Mandanten gegenüber, denn selten liegen die Chancen, den Prozess zu gewinnen bei 100 Prozent, was aber ebenso selten Mandanten gerne hören.

Aufbauend auf der genauen Kenntnis der Chancen und Risiken der eigenen Klage oder Verteidigung können die Parteien Überlegungen anstellen, ob sie aktiv einen Vergleich vorschlagen. Die Faustregel lautet: Je früher eine Einigung erfolgt, desto besser für alle Beteiligten. Ein langwieriger Prozess kostet Geld und Nerven und bindet Ressourcen. Ein bereits vor dem Gerichtsverfahren verhandelter Vergleich ist die Königsdisziplin, erfordert aber Geduld und Verhandlungsgeschick. Beide Parteien können sich glücklich schätzen, wenn ihre Prozessvertreter nicht zu früh aufgeben und die Parteien in ein Verfahren rennen lassen.

Doch selbst im Verfahren sollten Prozessvertreter – selbstverständlich nach Absprache mit ihren Mandanten – die Möglichkeit erwägen, zum Hörer zu greifen und den Kollegen auf der Gegenseite anzurufen, um über einen Vergleich zu sprechen. Der Vorteil auf Klägerseite ist Liquidität, der Vorteil auf Beklagtenseite ist ein Nachlass gegenüber der vollen Forderung. Der Vorteil auf beiden Seiten ist, ein „Alles oder nichts“-Urteil zu verhindern.

Einen perfekten Moment für Vergleichsverhandlungen gibt es also nicht. Es kommt wie immer darauf an. Jeder Moment kann perfekt sein, indes ist es richtig, in jeder Phase des Verfahrens (beginnend mit der Prüfung von Ansprüchen oder der Verteidigung dagegen) Vergleichsverhandlungen als Mittel zu prüfen, das der Mandantschaft Geld, Zeit und Nerven spart.

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