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EU-Rechtswidrigkeit der Rechtsformbeschränkungen bei der umsatzsteuerlichen Organschaft (2)

30/04/2021
| Frank Behrenz
EU-Rechtswidrigkeit der Rechtsformbeschränkungen bei der umsatzsteuerlichen Organschaft (2)

In unserem Beitrag Januar 2020 zu diesem Newsletter hatten wir über ein Vorabentscheidungsersuchen des Finanzgerichts (FG) Berlin-Brandenburg vom 21.11.2019 beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Klärung der Frage der Zulässigkeit der Rechtsformbeschränkung des deutschen Umsatzsteuergesetzes berichtet, unternehmerisch tätige Personengesellschaften (wie etwa eine GmbH & Co. KG) – anders als Kapitalgesellschaften - von einer Einbeziehung in eine umsatzsteuerliche Gruppenbesteuerung auszuschließen. Mit Urteil vom 15.04.2021 (C-868/19 – Rechtssache M-GmbH) hat der EuGH entschieden, dass bei EU-rechtskonformer Interpretation des Kriteriums der finanziellen Eingliederung auch eine Personengesellschaft umsatzsteuerlich in das Unternehmen eines Organträgers eingegliedert sein kann, soweit der Organträger seinen Willen durch Mehrheitsbeschlüsse in der Organgesellschaft durchsetzen kann, so dass eine Beteiligung anderer Gesellschafter einer umsatzsteuerlichen Organschaft nicht entgegensteht.

Für eine einheitliche Anwendung der Mehrwertsteuersystemrichtlinie sei es wichtig, dass der Begriff der „engen Verbindungen durch finanzielle Beziehungen“ im Sinne von deren Art. 11 autonom und einheitlich ausgelegt werde, um Divergenzen in den Regelungen der Mitgliedstaaten zu vermeiden. Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs gehe hervor, dass dieses Kriterium nicht restriktiv ausgelegt werden darf. Weder Wortlaut, noch Zusammenhang oder das Ziel von Art. 11 MwStSystRL ließen den Schluss zu, dass Personen, die keine Steuerpflichtigen sind, nicht in eine Mehrwertsteuergruppe einbezogen werden können, so dass auch Einheiten, die wie die Personengesellschaften keine juristischen Personen sind, nicht per se von ihrem Anwendungsbereich ausgeschlossen werden könnten. Darüber hinaus habe der Gerichtshof klargestellt, dass der Unionsgesetzgeber die Inanspruchnahme der Regelung über die Mehrwertsteuergruppe nicht allein den Einheiten vorbehalten wollte, die sich in einem Unterordnungsverhältnis zum Organträger der betreffenden Unternehmensgruppe befinden. Liege ein solches Unterordnungsverhältnis vor, lässt dies zwar die Vermutung zu, dass zwischen den fraglichen Personen enge Verbindungen bestehen, doch kann dies nicht grundsätzlich als eine für die Bildung einer Mehrwertsteuergruppe notwendige Voraussetzung angesehen werden (vgl. in diesem Sinne Urteil v. 16.07.2015 – C-108/14 und C-109/14).

In Fällen, in denen die Entscheidung für betroffene Unternehmensgruppen von Vorteil ist, können sich diese bereits jetzt gegenüber den deutschen Finanzbehörden auf das Urteil berufen. Soweit sich die Einbeziehung in eine umsatzsteuerliche Organschaft nachteilig auswirken sollte, kann gegenwärtig noch Vertrauensschutz auf der Basis der entgegenstehenden Regelungen von A 2.8 Abs. 5a UStAE geltend gemacht werden, wobei davon auszugehen ist, dass das Bundesministerium der Finanzen (BMF) diese auf Sicht ändern und Übergangsregelungen schaffen wird.

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