Erleichterte Voraussetzungen für Ausgleichsanspruch von Vertragshändlern?
Wenn Vertragshändlerverträge gekündigt werden, stellt sich immer wieder die Frage, ob dem Vertragshändler aufgrund der Kündigung ein Anspruch auf Ausgleich der Vorteile zusteht, die er durch den Warenvertrieb hatte. Vertragshändlerverträge sind in Deutschland nicht gesetzlich normiert. Wegen der häufig vergleichbaren Interessenlage können die Vorschriften über Handelsvertreter je nach konkreter Situation analog heranzuziehen sein. Sofern der Vertrag keine Regelung enthält, werden beispielsweise die gesetzlichen Kündigungsfristen für Handelsvertreter entsprechend angewendet. Nicht so eindeutig ist die Rechtslage bei dem Ausgleichsanspruch. Ein Handelsvertreter erhält einen Ausgleich dafür, dass er dem Hersteller die während der Geschäftsbeziehung geworbenen Kunden überlässt und infolge der Kündigung Provisionen verliert, während der Hersteller mit den geworbenen Kunden im Zweifel weiter in Geschäftsverbindung steht, und hieraus fortlaufend Vorteile erzielt. Kraft Gesetzes steht dem Handelsvertreter daher grundsätzlich ein Ausgleichsanspruch bis zur Höhe einer Jahresprovision zu. Dies ist allerdings dann nicht der Fall, wenn der Handelsvertreter den Vertrag selbst gekündigt hat oder wenn der Unternehmer den Vertrag aus wichtigem Grunde kündigen durfte.
In den vergangenen drei Jahrzehnten hat die Rechtsprechung Grundsätze dazu entwickelt, wann auch einem Vertragshändler ein Ausgleichsanspruch zustehen kann. Erforderlich ist danach, dass der Vertragshändler - ähnlich einem Handelsvertreter - in die Vertriebsorganisation des Unternehmers eingegliedert war. Insbesondere muss der Unternehmer in erheblichem Maße weisungsbefugt gegenüber dem Vertragshändler sein und – ein ganz wichtiges Kriterium – der Vertragshändler muss eine vertragliche Verpflichtung zur Übertragung seines Kundenstamms auf den Unternehmer haben. Nach der Rechtsprechung muss eine solche Verpflichtung ausdrücklich vertraglich geregelt sein. Zwar hat das Landgericht Nürnberg-Fürth in einem Beschluss im Jahr 2018 einmal den Versuch unternommen, statt der ausdrücklichen vertraglichen Verpflichtung bereits die bloße tatsächliche Möglichkeit des Unternehmers, den Kundenstamm für sich zu nutzen, ausreichen zu lassen. Es hat sich hiermit aber bisher nicht durchgesetzt.
Das OLG Düsseldorf hat nun in einem nicht veröffentlichten Beschluss vom 9.2.2021 anerkannt, dass die vertragliche Verpflichtung zur Überlassung des Kundenstamms nicht wortwörtlich erfolgen muss, sondern dass es beispielsweise ausreicht, wenn der Vertragshändler verpflichtet ist, bei Vertragsbeendigung, sein gesamtes Know-how, d. h. seine Geschäftsgeheimnisse, an das Unternehmen zu übertragen. Denn darunter fällt auch der Kundenstamm eines Unternehmens.