Direktanspruch eines Leistungsempfängers gegen den Fiskus auf Erstattung einer rechtsgrundlos an den Leistenden gezahlten Umsatzsteuer?
In unserem Beitrag zur Ausgabe Mai 2022 dieses Newsletters hatten wir über ein Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 12.04.2022 zur Frage berichtet, unter welchen Voraussetzungen, die deutsche Finanzverwaltung vor dem Hintergrund der Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus Billigkeitsgründen Umsatzsteuer direkt an Leistungsempfänger erstattet. Inhaltlich geht hierbei meist um Fälle, in welchen die Umsatzsteuer von anderen Unternehmern unrechtmäßig in Rechnung gestellt wurde, welche selbst wirtschaftlich nicht in der Lage sind, die erhaltene Umsatzsteuer an die Leistungsempfänger zurückzuerstatten, die diese ihrerseits nicht als Vorsteuer geltend machen können.
Das Finanzgericht Münster hat nun in einem Beschluss vom 27.06.2022 (15 K 2327/20 AO) dem Europäischen Gerichtshof die Frage vorgelegt, ob dieser sog. Direktanspruch des Leistungsempfängers auf Erstattung gegenüber den Finanzbehörden nur dann besteht, wenn feststeht, dass diese nicht noch einmal verpflichtet werden können, diese Steuer auch dem leistenden Unternehmer zu erstatten. Im Streitfall war das leistende Unternehmen - anders als in den von der Rechtsprechung bisher entschiedenen Fällen - zwar nicht zahlungsunfähig, hatte jedoch gegenüber dem Leistungsempfänger die Einrede der Verjährung geltend gemacht und damit eine Erstattung der unrechtmäßig in Rechnung gestellten und erhaltenen Umsatzsteuer für eine Leistung abgelehnt. Demgegenüber steht dem leistenden Unternehmer auch in einem solchen Fall nach § 14c Abs. 1 Satz 1 und 2 UStG das Recht zu, die Rechnung zu berichtigen und von der Finanzverwaltung den zu viel gezahlten Betrag zurückzufordern. Diese müsste in einem solchen Fall dann ihrerseits wiederum an den Leistungsempfänger herantreten und die Rückzahlung der antragsgemäß erstatteten Steuer geltend machen, was auf eine Übernahme des Insolvenzrisikos des Leistungsempfängers und im Extremfall auf eine doppelte Erstattung einer nur einmal gezahlten Steuer hinausläuft.
Wann die von der bisherigen Rechtsprechung des EuGH geforderte Voraussetzung eines Direktanspruchs gegenüber dem Finanzamt der „Unmöglichkeit oder übermäßiger Erschwerung der Geltendmachung beim rechnungsstellenden Unternehmer“ vorliegt, ist unklar, nach Auffassung der Finanzverwaltung im vorgenannten BMF-Schreiben ist diese nur gegeben, wenn ein Insolvenzantrag über das Vermögen des leistenden Unternehmens mangels Masse abgelehnt wurde, die bloße Zahlungsunfähigkeit soll demgegenüber nicht genügen. Darüber hinaus soll auch ein Mitverschulden des Leistungsempfängers an der Erstellung der falschen Rechnung der Geltendmachung eines Direktanspruchs entgegenstehen. Demgegenüber hat der EuGH eine Zahlungsunfähigkeit des Rechnungsstellers bislang ausdrücklich nur als Beispiel für eine Unmöglichkeit bzw. eine übermäßige Erschwerung genannt, diese jedoch nicht als alleiniges Kriterium hierfür genannt.
Im Vorgriff auf die Entscheidung des EuGH, die sicherlich einige Zeit in Anspruch nehmen wird, ist zur Vermeidung der vorgenannten Probleme eine sorgfältige Rechnungsprüfung zu empfehlen.