Das sog. „Musterverfahren“
Im Artikel dieses Monats befassen wir uns mit einer wichtigen Neuerung, die der vorläufige Gesetzesentwurf über Maßnahmen zur Verfahrenseffizienz im öffentlichen Justizdienst hinsichtlich des Zivilverfahrens vorsieht.
Der neue Art. 438ter der Zivilprozessordnung regelt das sog. „Musterverfahren“, das in der zivilen Gerichtsbarkeit neu ist, aber in der Verwaltungsgerichtsbarkeit besser bekannt ist (was die Ausdehnung seiner Wirkungen betrifft).
In den letzten Jahren hat die Zahl der Klagen von Einzelpersonen gegen – in der Regel – groβe Unternehmen zugenommen, in denen meistens die Nichtigkeit bestimmter allgemeiner Vertragsbedingungen beantragt wird (z.B. im Zusammenhang mit den sog. „Vorzugsaktien“ (participaciones preferentes)“, oder den Mindestzinssatzklauseln, u.s.w.).
Diese Verfahren, die in die Tausende gehen können, sind im Wesentlichen identisch, so dass der Gesetzgeber versucht, einen einfachen und agilen Mechanismus einzuführen, der die Bearbeitung zahlreicher Verfahren vermeidet, die, wie gesagt, im Wesentlichen identisch sind und die eine zusätzliche Arbeitsbelastung für unsere sowieso schon überlasteten Gerichte darstellen.
Das sog. „Musterverfahren“ ist ein Mechanismus, durch den das vom Kläger eingeleitete Verfahren vom Gericht gehemmt werden kann, wenn das Gericht der Ansicht ist, dass die Klage Ansprüche umfasst, die Gegenstand früherer Verfahren anderer Prozessparteien waren, dass es weder notwendig ist, eine Transparenzkontrolle der Klausel durchzuführen noch das Vorhandensein von Willensmängeln zu prüfen und dass die betreffenden allgemeinen Vertragsbedingungen im Wesentlich identisch sind.
Liegen diese Voraussetzungen vor, wird das Verfahren, wie gesagt, ausgesetzt bis ein rechtskräftiges Urteil in dem zum Musterverfahren bestimmten Verfahren, das bevorzugt bearbeitet wird, ergeht.
Sobald das Urteil im „Musterverfahren“ rechtskräftig geworden ist, erlässt das Gericht eine Entscheidung, aus der hervorgeht, ob es eine Fortsetzung des Verfahrens für sinnvoll hält oder nicht, weil die in der Klage aufgeworfenen Fragen durch das im Musterverfahren ergangene Urteil geklärt worden sind oder nicht. Das Gericht fordert den Kläger dann auf, a) die Klage zurückzunehmen (was er tun wird, wenn das Urteil im Musterverfahren die Ansprüche, die er in seinem Verfahren geltend gemacht hat, zurückgewiesen hat), b) das ausgesetzte Verfahren mit der Begründung, dass nicht alle seine Ansprüche geklärt sind, fortzusetzen oder c) die Ausdehnung der Wirkung des im Musterverfahren ergangenen Urteils auf sein Verfahren zu beantragen. Interessant ist, dass der Kläger im Falle der Klagerücknahme nicht zur Zahlung der Prozesskosten verurteilt wird.
Unserer Meinung nach ist dies ein interessanter Mechanismus, der, wenn er richtig eingesetzt wird, die Zahl der Rechtsstreitigkeiten erheblich reduzieren könnte, ohne dass dies grundsätzlich eine Einschränkung des effektiven Rechtsschutzes bedeuten würde.