Brexit Reloaded: Die Auswirkung auf Gerichtsverfahren
Der Brexit, also der Austritt des Vereinigten Königreichs (UK) aus der Europäischen Union, ist bereits zum 01.02.2020 in Kraft getreten. EU und Vereinigtes Königreich haben sich im Austrittsabkommen vom 17.10.2019 darauf geeinigt, dass zwischen dem 01.02.2020 und 31.12.2020 eine Übergangsphase gilt. Diese soll dazu dienen, ein endgültiges Abkommen zu verhandeln. In der Zwischenzeit gilt das EU-Recht in UK weiter. Denn das Austrittsabkommen aus dem Oktober 2019 regelt zwar einige wichtige Punkte (bspw. den Status von in der EU lebenden Briten und umgekehrt und die irische Grenze), aber andere wichtige Punkte sind nicht geregelt. Dazu gehört auch die Auswirkung auf zukünftige Gerichtsverfahren. Laufende Gerichtsverfahren werden vom Austrittsabkommen aus dem Jahr 2019 geschützt.
Derzeit sind zahlreiche zivilprozessuale Aspekte in der EuGVVO (auch: Brüssel Ia-Verordnung) geregelt. Das ist eine europäische Verordnung, die direkte Wirkung in allen Mitgliedsstaaten der EU entfaltet (und übergangsweise in UK). Das sorgt innerhalb der EU für eine unvergleichliche Rechtssicherheit, da man davon ausgehen darf, dass die Gerichte eines jeden Mitgliedsstaates auf Grundlage derselben Regelungen entscheiden. Geht es z. B. um die Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung, entschied ein Gericht in Manchester bisher wie ein Gericht in Dortmund und wie ein Gericht in Madrid. Außerdem enthält die Verordnung Regelungen zum Umgang mit doppelt anhängigen Streitigkeiten, in denen also ein Gericht in einem Mitgliedsstaat angerufen wird, obwohl bereits in einem anderen Staat ein Verfahren läuft.
Sollte es zu einem Brexit ohne (endgültiges) Austrittsabkommen kommen, wird diese Verordnung im Vereinigten Königreich nicht mehr gelten. Das wiederum sorgt für eine Reihe von rechtlichen Unsicherheiten. Die Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung wird sich nicht mehr ohne weiteres beurteilen lassen. Zwar gibt es das Haager Gerichtsstandsübereinkommen, das unabhängig von der EU-Mitgliedschaft des UK gilt, aber das nur mit Einschränkungen. Unklar ist, ob das sog. EuGVÜ nicht wieder in Kraft tritt, ein Vorgänger der EuGVVO, die zumindest zwischen Deutschland und UK gilt. Das ist aber unsicher, denn die EuGVVO könnte das EuGVÜ nicht nur vorübergehend verdrängt, sondern endgültig außer Kraft gesetzt haben.
Auch die Regelungen zu doppelt anhängigen Verfahren werden nicht mehr gelten. Unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen ist, dass bei einem harten Brexit die Gerichte des UK Verfahren eröffnen, die eigentlich Gegenstände betreffen, die bereits vor einem (beispielsweise) deutschen Gericht anhängig sind.
Und damit sind die zivilprozessualen Auswirkungen gerade erst angerissen. Der Brexit ist bedauerlich und für Unternehmer im grenzüberschreitenden Bereich eine Quelle unerfreulicher Unsicherheit, aber ohne Austrittsabkommen werden diese damit umzugehen haben. Es hilft nur die gewissenhafte Prüfung aller Verträge und möglicher Verfahren mit Bezug zum Vereinigten Königreich.