Anfechtung von Gesellschaftsbeschlüssen wegen Rechtsmissbrauchs zum Nachteil eines Dritten
Am 25. Oktober 2022 veröffentlichte der Spanische Oberste Gerichtshof („OG“) das Urteil Nr. 701/2022, in welchem erneut die Rechtsmissbräuchlichkeit von Gesellschaftsbeschlüssen zum Nachteil eines Dritten analysiert wird.
In dem analysierten Fall hat eine Gesellschafterversammlung einstimmig die Änderung der Satzung der Gesellschaft beschlossen, ohne dass dies für die Gesellschaft selbst nachteilig war, jedoch mit der Absicht, (i) die Wirkungen des lebenslagen Nießbrauchs, den ein Dritter an den Aktien der Gesellschaft erlangt hatte, für ungültig zu erklären und folglich (ii) ihm die Ausübung einer indirekten politischen Kontrolle über die Gesellschaft zu entziehen. Im Einzelnen umfasste die Satzungsänderung die Abschaffung des Vorkaufsrechts, die Einführung eines verstärkten Quorums bei der ersten und zweiten Einberufung der Versammlung, und die Aufnahme eines neuen Artikels, der den Gläubigern das Stimmrecht für verpfändete Aktien einräumt. All dies mit dem Ziel, die Kontrolle des Dritten über die Gesellschaft sowie über ihre Tochtergesellschaft, die sich mehrheitlich im Besitz der Gesellschaft befindet, zu verhindern, wobei die Rechtsmittelführerin unter anderem das Vorliegen eines Rechtsmissbrauchs gemäß Artikel 7.2 spanischen Bürgerlichen Gesetzbuches, geltend macht.
Der OG ist der Auffassung, dass der zu prüfende Fall in den Anwendungsbereich des genannten Artikels fällt, da er die Voraussetzungen erfüllt, d.h. „(i) die formal oder äußerlich korrekte Ausübung eines Rechts, (ii) die Schädigung eines nicht durch ein besonderes gesetzliches Vorrecht geschützten Interesses, und (iii) die Sittenwidrigkeit oder Asozialität dieses Verhaltens [...]“. Er betont auch, dass die Nichtigkeit des Beschlusses nicht durch die negative Auswirkung des Beschlusses auf das Recht eines Dritten verursacht wird, sondern „dass diese negative Auswirkung auf das Recht eines Dritten oder [...] der Schaden für den Dritten durch einen rechtswidrigen Beschluss verursacht wurde und dass diese Rechtswidrigkeit [...] darin besteht, dass der Beschluss einen Rechtsmissbrauch darstellt“.
Bei der Analyse des konkreten Falles stellt der OG fest, dass die gefassten Beschlüsse einzig und allein darauf abzielten, das Nießbrauchsrecht und die Ausübung der politischen Rechte an den Aktien zu beseitigen, da sie darauf abzielten, (i) den Verlust der Kontrolle der Muttergesellschaft über die Tochtergesellschaft, (ii) die Erlangung der Kontrolle der Minderheitsaktionäre über die Entscheidungen in der Tochtergesellschaft, und (iii) die Blockade jedes gegenteiligen Beschlusses, zu bewirken.
Aus diesem Grund stellte der OG fest, dass sowohl die Gesellschaft, wie auch der Drittgesellschafter durch die Gesellschaftsbeschlüsse geschädigt wurden, und gab der Beschwerde statt, indem er feststellte, dass die genannten Beschlüsse angesichts der Umstände rechtsmissbräuchlich waren, d.h. das Recht des Drittgesellschafters an der Gesellschaft ohne Inhalt ließen.