Youtuber in Andorra und immer der gleiche Fehler
In den letzten Wochen haben sich die Medien mit der Verlegung des Wohnsitzes einiger Youtuber nach Andorra beschäftigt. Die Youtuber selbst hatten erklärt, dies mit dem Ziel zu tun, erheblich weniger Steuern für die Einkünfte aus ihren Aktivitäten auf dem Youtube-Kanal zahlen zu müssen.
Eine breite gesellschaftliche Debatte zu diesem Thema ergab sich aus den Aussagen der Youtuber, in der, wie in solchen Fällen üblich, viele unterschiedliche Aspekte vermischt werden, so dass Nichtjuristen am Ende mit großer Wahrscheinlichkeit falsche Schlüsse ziehen könnten. Versuchen wir – ausschließlich aus steuerrechtlicher Sicht – herauszufinden, was der Wegzug dieser bis vor kurzem in Spanien ansässigen Youtuber nach Andorra bedeutet.
Youtuber als Unternehmer
Ein Youtuber ist ein Unternehmer, der ein Geschäft entwickelt, das darin besteht, die YouTube-Plattform zu nutzen, um Geld zu verdienen. Welche spezifische Tätigkeit er dort ausführt ist nicht relevant. Er kann singen, über Parfums sprechen, Kurse geben, Witze erzählen oder den Tierkreis beleuchten. Es ist dasselbe wie bei einem Fußballspieler, der sein Image benutzt, um Geld zu verdienen, oder bei einem Schriftsteller, der Bücher schreibt, um sie zu verkaufen. Auch wer die Kunden sind und wo sie sich befinden ist bedeutungslos. Sie können in Spanien sein, wenn das Unternehmen spanisch ist, oder in jedem Land der Welt. Wichtig ist, zu verkaufen und Geld zu verdienen.
Das Welteinkommensprinzip
Ein Unternehmen zahlt Steuern auf alle Einkünfte, die es in jedem Land der Welt erzielt, nicht nur auf die Einkünfte, die aus dem Land stammen, in dem das Unternehmen ansässig ist. Dies ist das allgemeine Prinzip der Besteuerung nach dem „Welteinkommen“ (auch „woldwide income“). Wenn demzufolge ein spanischer Gerätehersteller Kühlschränke in Kanada verkauft, werden die Einkünfte aus diesen Verkäufen in Spanien besteuert.
Geschäftssitz und steuerliche Ansässigkeit
Alle Unternehmen haben einen Geschäftssitz, von dem aus das Geschäft betrieben wird, und dieser Sitz wird als das Land der steuerlichen Ansässigkeit betrachtet. Wenn sich das Unternehmen in Spanien befindet, wird das weltweite Einkommen nach den spanischen Steuervorschriften in Spanien besteuert. Das ist ein sehr wichtiger Aspekt, den es zu beachten gilt. Denn es kommt nicht darauf an, was in den Unterlagen steht (Gründung der Gesellschaft usw.), sondern darauf, wo die Gesellschaft tatsächlich geführt wird (sogenannter „Ort der Geschäftsleitung“). Das Steuerrecht ist öffentliches Recht, nicht Privatrecht, bei dem es einen Verhandlungsspielraum gibt. Wichtig ist nicht, was behauptet wird, sondern was wirklich ist; also „substance over form“. Aus diesem Grund ist es auch nicht sinnvoll, die tatsächliche Situation zu verschleiern und zwischen das Geschäft in Spanien und den Kunden etwa Zwischengesellschaften zu schalten, die angeblich die Verkäufer sind, auch wenn das Geschäft in Wirklichkeit von Spanien aus durchgeführt wird. Aus diesem Grund mussten schon Prominente wie Leo Messi, Imanol Arias und Ildefonso Falcones an den spanischen Fiskus zahlen. Das wollten sie eigentlich mit Zwischengesellschaften verhindern. Diese Unternehmen wurden ohne tatsächliche Aktivität und „wirtschaftliche Substanz“ gegründet (auch „economic substance“ oder „sound economic reasons“). Sie existierten nur, um die Realität zu verschleiern. Aus diesem Grund hat das spanische Steuerrecht diese Zwischengesellschaften einfach als nicht existent angesehen für die Steuerbetrachtung.
Geschäftssitz des Einzelunternehmers
Der Nachteil des Geschäfts eines Youtubers ist, wie bei einem Anwalt, Berater, Ingenieur oder Versicherungsvertreter, dass er oder sie selbst das Geschäft ist. Es gibt keine Möglichkeit, die wirtschaftliche Tätigkeit von der Person zu trennen, so wie auch nicht im Fall von Leo Messi. Messi ist das Unternehmen. Anders liegt der Fall bei einem Fabrikunternehmer mit Mitarbeitern, Management, verschiedenen Produktionsstandorten usw. In diesem Fall kann der Unternehmer in einem Land leben und sich sein Geschäft in einem anderen Land befinden. In der Welt der Dienstleistungen gibt es oftmals keine solche Trennung. Aus diesem Grund bleibt einem Youtuber, wenn er tatsächlich weniger Steuern zahlen möchte, nur die Möglichkeit, persönlich in ein Land mit niedrigen Steuersätzen zu ziehen. Das ist auch sein Recht.
Fiktive Geschäftssitze in steuerlich attraktiven Ländern In allen Ländern um uns herum werden Steuern auf ähnliche Weise bezahlt, es gibt keine großen Unterschiede. Aus diesem Grund gab es nur die Möglichkeit, in ein Land zu gehen, das traditionell gar keine Unternehmensteuer oder Einkommensteuer kennt, oder das sogar die Besteuerung von weltweiten Einkünften ausschließt. Andorra mit etwas mehr als 60.000 Einwohnern hat aus vielen Gründen – nähere Ausführungen würden hier zu weit führen – nie hohe Besteuerungen für notwendig erachtet. Bis vor kurzem stand Andorra auf der schwarzen Liste der Länder, die als Steuerparadiese gelten, wie unter anderem Panama, Monaco und Gibraltar.
Prüfung fiktiver Geschäftssitze durch die Steuerverwaltung
So weit, so gut. Jetzt kommt das Problem. Jahrelang haben diverse spanische Berater und Anwälte, fahrlässig und weil damals die spanische Steuerverwaltung (wie auch die einiger anderen Länder von Europa) nicht vorrangig gegen die fiktiven Wohnsitze von Unternehmen und Privatpersonen vorging, ihren Klienten die Option vorgeschlagen, den Wohn- bzw. Geschäftssitz in diese Länder zu verlegen. All dies flog in den in den 2000er Jahren auf, als das Strafrecht für solche Fälle aktiviert wurde. Mario Monti, ehemaliger EU-Kommissar für den Binnenmarkt, erklärte anlässlich des Vorschlags der sogenannten Zinsrichtlinie, die 2003 verabschiedet wurde und ein automatisches System des Info-Austausches für Zinseinkünfte zwischen den EU-Staaten etablierte: „The climate is changing“. Sobald jemand also seinen Wohnsitz nach Andorra verlegt, sollte er/sie nicht mehr abreisen, da die spanische Verwaltung nicht mehr glauben wird, dass die Person dort regelmäßig wohnt. Boris Becker hatte Ende der 90er Jahre in Deutschland das gleiche Problem. Er behauptete, in Monaco zu leben, aber das Finanzamt konnte nachweisen, dass diese Behauptung falsch war. Auch Shakira hat es getroffen: Sie behauptet, in einem gewissen Zeitraum auf den Bahamas gelebt zu haben, obwohl ihr Mann und ihre Kinder in Barcelona leben, wo auch ihre privaten Zumba- und Französischstunden stattfanden sowie ihr Friseur ist, den sie zweimal pro Woche besucht. Ein solcher Fehler ist angesichts der vorstehenden Ausführungen unerklärlich.
Schlussfolgerung
Aus diesem Grund muss man zu dem Schluss kommen, dass die Verlegung ihres Wohnsitzes nach Andorra den Youtubern in der Zukunft noch viele Konflikte bescheren wird, denn das aktuelle spanische Steuerrecht erkennt diese Fiktionen nicht mehr an. Unverständlicherweise haben sie den gleichen Fehler begangen wie viele Prominente bereits vor ihnen. Ihre Namen werden noch über Jahre hinweg in den Zeitungen erscheinen.