Schnell zum Urteil – Vor- und Nachteile des Urkundenprozesses
Ein Zivilprozess kann dauern. Ein paar Monate oder ein paar Jahre. Schriftsätze werden ausgetauscht. Verhandlungen werden angesetzt. Zeugen werden vernommen oder erscheinen nicht. Verhandlungen werden vertagt. Sachverständigengutachten werden eingeholt. Nachfragen zum Gutachten verzögern den Prozess.
Das kann belastend sein – nicht zuletzt finanziell. Zwar laufen in der Zwischenzeit gewaltige Verzugs- oder Prozesszinsen an (5 oder 9 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz p. a.), aber die Liquidität fehlt trotzdem. Glücklich schätzen kann sich, wer seinen Anspruch vollständig mit Urkunden beweisen kann. Dann nämlich ist der sog. Urkundenprozess zulässig.
Das ist beispielsweise der Fall, wenn der Verkäufer beim Warenliefervertrag sowohl den Kaufvertrag als auch die Transportdokumente vorlegen kann, die die termingerechte Lieferung belegen. Dabei zählen auch elektronische Urkunden wie z. B. mittels eSignaturen gezeichnete Verträge. Der Beklagte kann zwar Einwendungen bringen, diese müssen sich aber auch mittels Urkunden beweisen lassen. Wendet der Käufer z. B. ein, dass die Ware mangelhaft gewesen sei, wird er das üblicherweise nicht mit Urkunden beweisen können, sondern nur mittels Sachverständigengutachten, Inaugenscheinnahme oder Zeugenbeweis.
Somit steht in relativ kurzer Zeit ein Urteil, das ohne Sicherheitsleistung vollstreckt werden kann. Der Beklagte kann allerdings die Vollstreckung abwenden, indem er seinerseits Sicherheit leistet. Tut er dies, gewinnt der Verkäufer zwar keine Liquidität, aber zumindest ist ein mögliches Insolvenzrisiko abgewendet.
Über alle weiteren Beweismittel wird erst im sogenannten Nachverfahren entschieden. In diesem kann der Beklagte alle Einwendungen bringen, die sich nicht mit Urkunden beweisen lassen. Natürlich weiß auch der Kläger, dass „sein“ Urteil noch kippen kann. Neben der Liquidität und der Abwendung von Insolvenzrisiken kann das Urkundenverfahren aber auch strategische Vorteile haben. Immerhin lässt sich ein Beklagter, der innerhalb weniger Wochen ein Urteil gegen sich „kassiert“, selbst aber bis zum Urteil im Nachprozess warten muss, damit gehörig ärgern. Die Vergleichsbereitschaft steigt erfahrungsgemäß.
Der Urkundenprozess ist aber kein Allheilmittel. Er bietet nur einen „Shortcut“, aber die Prozessrisiken bleiben. Verliert der Kläger das Nachverfahren, muss er Ersatz für den Schaden leisten, den der Beklagte durch die Vollstreckung erlitten hat. Der Kläger sich darf also nicht in falscher Sicherheit wiegen. Ist ihm dies bewusst, ist der Urkundenprozess immer ein Mittel, um ein schnelles – wenn auch vielleicht nicht finales – Urteil zu erlangen.