Die Regierung der Balearen erlässt eine städtebauliche Amnestie
Am 24. Mai hat die Regierung der Balearen ein Gesetzesdekret erlassen, das – wie bereits im Titel der Vorschrift angekündigt – zur Vereinfachung und Rationalisierung von Verwaltungsakten dienen soll.;
Das Maßnahmenpaket dieses Gesetzesdekrets betrifft, wie in der Gesetzesbegründung erwähnt, über 50 Vorschriften, alle mit dem Ziel, Verwaltungsverfahren, unter anderem im Bereich des Bauwesens, zu beschleunigen.
Darunter befinden sich sehr interessante Maßnahmen, wie die Abschaffung des balearischen Ausschusses für Umweltangelegenheiten oder die Einschränkung der Fälle, in denen ein Bericht der Generaldirektion für Wasserressourcen eingeholt werden muss, beides derzeit Ursachen für massive Verzögerungen bei der Erteilung von Baugenehmigungen. Zudem sieht das Gesetzesdekret die Einstellung von mehr Personal und die Digitalisierung der Prozesse zwecks Beschleunigung des Verwaltungsbetriebes vor.
Die wichtigste Maßnahme des Gesetzesdekretes ist jedoch die Möglichkeit, illegale Bauten zu legalisieren, die so genannte städtebauliche Amnestie, über die in den letzten Monaten sehr viel gesprochen und geschrieben wurde.
Aber was ist eine städtebauliche Amnestie und was ist ihr Nutzen?
Das Gesetz – heutzutage handelt es sich um das städtebauliche Gesetz der Balearen 12/2017 vom 29. Dezember (LUIB), wenngleich frühere Vorschriften ähnliche Regeln vorsahen – verlangt für jede Art von Bauvorhaben eine Baugenehmigung. Das betrifft nicht nur das ursprüngliche Gebäude, sondern auch jedwede Erweiterung – Keller, Vorbauten, Zusatzbauten, Pools, usw. – die nachträglich errichtet werden. In einigen Fällen hat man für diese Erweiterungen keine Genehmigung beantragt, sei es aufgrund von Unkenntnis, sei es, wie meist der Fall, weil diese Gebäudeteile, die in den städtebaulichen Vorschriften festgelegten Grenzen überschreiten: Z.B. erreichte zuweilen das Grundstück nicht mehr die Mindestfläche, um bebaubar zu sein, oder das maximal bebaubare Volumen, die maximale Belegung des Grundstücks oder die Mindestabstände zu den Grundstücksgrenzen wurden überschritten.
Als Grundsatz der Rechtssicherheit – mit gewissen Ausnahmen in besonders geschützten Gebieten – schreibt das Gesetz vor, dass das Recht der Verwaltung, den Abriss des illegal Gebauten zu verlangen, nach einer bestimmten Zeit, nämlich nach acht Jahren, verjährt. Es ist wichtig festzuhalten, dass das Gesetz nicht sagt, dass die Bauten mit dem Ablauf der Zeit legal werden, sondern dass die Verwaltung ihren Abriss nicht mehr anordnen kann, obwohl sie illegal sind. Sie erlangen somit Bestandschutz.
Diese Nuance ist von großer Bedeutung: Der durch Bestandschutz geschützte Bau ist nicht legal. Vielmehr wird dessen rechtliche Lage im LUIB als „fuera de ordenacion“ bezeichnet, was in etwa mit jenseits des Gesetzes übersetzt werden könnte.
In der Tat schreibt Artikel 129 LUIB vor, dass in diesen illegalen Bauten jegliche Umbau- oder Sanierungsarbeiten verboten sind. Das bedeutet: Die Verwaltung kann die illegalen Gebäudeteile nicht abreißen lassen; dadurch, dass keinerlei Bauarbeiten durchgeführt werden können, muss sie geduldig warten, bis sie fast baufällig sind, um dann den Abriss anzuordnen, aber dann nicht wegen deren Illegalität, sondern gerade, weil sie eine Ruine sind.
Angesichts dieser unlogischen oder sogar gefährlichen Situation ist es zu begrüßen, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit der Legalisierung illegaler Gebäude erlaubt.
Die neue städtebauliche Amnestie orientiert sich sehr an der gleichwertigen Maßnahme, die vor 10 Jahren auf den Balearen mit dem so genannten Decret Company in Kraft war. Die damalige Maßnahme hatte jedoch in der Praxis eine relativ bescheidene Wirkung, da viele Eigentümer die Regelung und ihre kurze Frist nicht kannten oder Verfahrensfehler machten, die zur Ablehnung ihrer Anträge führten.
Zunächst ist zu erwähnen, dass das Gesetzesdekret ausdrücklich die Anwendung der Amnestie auf ländliche Immobilien beschränkt, städtische Immobilien dürfen diese Maßnahme daher nicht in Anspruch nehmen. Sie gilt grundsätzlich für Bebauungen, die 8 Jahre vor dem Erlass des königlichen Dekretes errichtet wurden – denn 8 Jahre ist die Verjährungsfrist. Allerdings wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Maßnahme bei geschützten Landgebieten nur für jene Gebäude(teile) und Nutzungen gilt, die vor dem Erlass des städtebaurechtlichen Dekretes vom 29. Mai 2014 errichtet wurden und bei Naturschutzgebieten vor dem 10. März 1991, also vor Erlass des Gesetzes über Naturschutzgebiete. Das Gesetzesdekret lässt dabei einige nicht definierte Grauzonen; diesbezüglich wird man in der Praxis sehen, welche Einstellung die Verwaltung zu diesen Grauzonen hat.
Das neue Dekret ermöglicht für einen begrenzten Zeitraum von 3 Jahren, dass der Eigentümer ein Legalisierungsprojekt einreichen kann, mit dem nunmehr die Legalisierung der einst illegalen Bauten beantragt wird. Diese Legalisierung wird zur Folge haben, dass die Immobilie als vollständig legal gilt, als solcher Zugang zum Grundbuch hat und auch in der Zukunft wieder Renovierungsarbeiten – auch in den ursprünglich illegalen Teilen - durchgeführt werden könnten, was natürlich die Erhöhung des Wertes der Immobilie mit sich bringt.
Im Gegenzug werden der Gemeinde zwei außerordentliche Gegenleistungen zu erbringen sein, neben den normalen Genehmigungsgebühren: zum einen eine „Geldleistung“ – um nicht den Begriff des Bußgeldes zu verwenden – die im ersten Jahr der Geltung der Vorschrift 10% des Wertes der zu legalisierenden Bauten beträgt und in den weiteren Jahren auf 12,5% bzw. 15% ansteigt. Zum anderen muss dem Antrag ein technisches Projekt beigefügt werden, das Maßnahmen zur Reduzierung der Lichtverschmutzung oder des Wasserverbrauchs bzw. eine Erhöhung der Energieeffizienz beinhaltet. Dieser zweite Aspekt ist jeweils im Einzelfall zu prüfen.
Die Grundvoraussetzung ist jedenfalls, dass der zu legalisierender Teil des Gebäudes die Verjährung erlangt hat; dafür reicht es nicht aus, einfach zu behaupten, dass es vor mehr als acht Jahren ausgeführt wurde, vielmehr muss man dies mit einem rechtlich zulässigen Beweismittel nachweisen können. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass auf besonders geschütztem Land wie bereits erwähnt, der Zeitpunkt des Beginns der Fristen ein anderer ist.
Es ist daher ratsam, zunächst zu prüfen, ob die jeweils in Rede stehende Immobilie die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des neuen Gesetzesdekrets erfüllt, um sodann ein Projekt unter Hinzuziehung entsprechender Techniker (Architekten, Ingenieure, technische Architekten etc.) einzureichen. Eine Bewertung der Rechtslage muss ebenfalls die Konsequenzen der Legalisierung berücksichtigen, auf der einen Seite die positiven, wie z.B. der Zugang des Legalisierten zum Grundbuch, aber auch die möglichen negativen, wie z.B. die Tatsache, dass laut Gesetzesdekret die legalisierten Gebäude nicht der touristischen Vermietung gewidmet werden dürfen. So schreibt das Dekret vor, dass bei Legalisierung der Immobilie im Wege der Amnestie ein ausdrücklicher Vermerk im Grundbuch eingetragen wird, nach welchem die touristische Vermietung der Immobilie nicht erlaubt ist.
Die sog. Amnestie ist allerdings noch nicht wirksam. Hierfür ist es zunächst erforderlich, dass die jeweiligen Inselräte, die in städtebaulichen Angelegenheiten zuständig sind, für die jeweilige Insel die Einführung dieses außerordentlichen Legalisierungsverfahrens genehmigen.